In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die in Papenburg (Deutschland) ansässige MEYER WERFT GmbH & Co. KG weltweit einen exzellenten Ruf beim Bau von Spezialschiffen erworben. Bekannt ist das Unternehmen vor allem für den Bau großer, moderner und anspruchsvoller Kreuzfahrtschiffe. Bis heute wurden in Papenburg 45 Luxusliner für Kunden aus aller Welt gebaut. Das jüngste Highlight war der Bau und die Ablieferung der „Norwegian Bliss“ an die Reederei Norwegian Cruise Line im April 2018. Dabei ist jedes Schiff einzigartig - Serienfertigungen wie in der Automobilindustrie gibt es nicht. Um im weltweiten Wettbewerb zu bestehen, verwendet die MEYER WERFT modernste Produktionstechnik: Seit 2010 kommt beispielsweise für geometrische Analysen und Bilddokumentationen ein Leica Laserscanner zum Einsatz. Mittels eines LizardQ Kamera Systems werden 360-Grad-Panoramen erstellt – bis zu 8.000 pro Jahr. Für den weiteren 3D-Abgleich und die Feinbearbeitung von komplexen Punktwolkenmodellen verwenden die Vermessungs-Ingenieure der MEYER WERFT die Inspektionssoftware Geomagic Control X von 3D Systems.

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Abbildung 1: Das Farbspektrum der Oberflächenanalyse zeigt deutlich Höhen- und Tiefenunterschiede im Deckboden.
Bild © MEYER WERFT

Bis aus einem Bauplan in CAD ein fertiges Schiff werden kann, ist es ein langer Weg mit vielseitigen Herausforderungen. „Die Komplexität der Aufgabe lässt sich am besten so beschreiben: Wir bauen bei der MEYER WERFT jedes halbe Jahr eine komplette, schwimmende Kleinstadt. Mit Wasserver- und -entsorgung, Logistik, Unterbringung für tausende von Menschen, Restaurants, Gastronomie, Theatern, Kinos und anderen Freizeitattraktionen von der Wasserrutsche bis hin zur Kartbahn“, sagt Ralph Zimmermann, Fachbereichsleiter Vermessung/ Qualitätsmanagement bei der MEYER WERFT. „Wir setzen Kreuzfahrtschiffe aus bis zu 30 Millionen Bauteilen zusammen, wobei die kleinsten Bauteile, die sogenannten Sektionen, bereits Abmessungen von 30 x 30 x 2,5 Metern haben können. Wenn das Schiff dann zusammengefügt wird, muss alles passgenau sein. Für die dafür notwendigen geometrischen Vermessungen und Punktwolkenmodellbearbeitungen verwenden wir im täglichen Einsatz Geomagic Control X. Mit der Herstellerfirmer 3D Systems verbindet uns seit Jahren eine lange partnerschaftliche Beziehung.“

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Abbildung 2: Die Deckenanalyse zeigt auf, wo die Daten des CAD-Modells von den tatsächlichen Begebenheiten vor Ort abweichen. Mit diesem Wissen können rechtzeitig Korrekturen angegangen werden. Bild © MEYER WERFT

Eric Wind, International Senior Consultant bei 3D Systems, fügt hinzu: „Die vielfältigen Anwendungen unserer Software helfen der MEYER WERFT beim Qualitätsmanagement – und das ist für den erfolgreichen und termingerechten Bau von Kreuzfahrschiffen ein essenzieller Faktor. Die Geomagic Control X-Inspektionssoftware von 3D Systems liefert einfach und schnell zuverlässige Ergebnisse. Wir entwickeln sie ständig weiter, um auch in Zukunft alle anspruchsvollen Kundenanforderungen zu erfüllen.“

Die geometrische Vermessung – die seit 2012 Teil des Qualitätsmanagements ist – begleitet den kompletten Fertigungsprozess beim Neubau eines Kreuzfahrtschiffs. Dabei ist sie für alle Vermessungsaufgaben verantwortlich und arbeitet eng mit der Bauaufsicht der Werft zusammen. Der Vergleich von „Soll“- mit den „Ist“-Zuständen ist eine wichtige Aufgabe der Abteilung. Die Arbeit beginnt beim Scan von Bauteilen und dem virtuellen Zusammenfügen im Computer. Diese Prüfung der Passgenauigkeit vor der Montage spart viel Zeit auf der Werft, denn sie reduziert das rein physikalische Anpassen beträchtlich.

3D-Abgleich von „Soll“- und „Ist“-Zuständen ist unverzichtbar im Schiffbau

Gerade im Schiffbau gilt: Jedes verwendete Material ist Veränderungen durch äußere Einflüsse unterworfen. Schweißarbeiten verändern Metallteile, beispielsweise durch thermische Einwirkung. Ebenso sind Bauteile durch Transport oder Montage mechanischen Beeinflussungen unterworfen, was zu Deformationen führen kann. Auch die Temperaturbedingungen der Jahreszeiten spielen eine nicht unwesentliche Rolle. Was auf dem Plan und bei der Fertigung eines Bauteils und der virtuellen Anpassung noch passte, kann bei der Endmontage problematische Abweichungen aufzeigen. Soll-Ist-Vergleiche sind also unbedingt notwendig und werden durch 3D-Analysen ermittelt. Zu den erweiterten Anforderungen zählen derzeit vier Anwendungsbereiche: Oberflächenanalysen, Geometriekontrollen, Fit Checks und Virtual Reality.

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Abbildung 3: Beispiel einer Stabilisatorbox im CAD-Modell. Bild © MEYER WERFT

Oberflächen- und Deckenanalysen helfen, Folgekosten zu minimieren

André Schreiber, Technologe im Fachbereich Vermessung der MEYER WERFT, erklärt: „Bei unseren Oberflächenanalysen geht es vor allem darum, in einem bereits fertig montierten Bereich Abweichungen vom Soll-Zustand aufzudecken. Nachdem alles mit dem Laserscanner erfasst wurde, bearbeiten und analysieren wir die Punktwolke mit Geomagic Control X. Die Software macht den kompletten Prozess für uns wesentlich komfortabler, da sie auch große Datenmengen verarbeiten kann. Sie eignet sich zudem für alle Bauteilgrößen.“ Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass Geomagic Control X in Kombination mit beliebigen Scanner-Typen und -Technologien eingesetzt werden kann. Der Anwender kann somit Objekte geometrisch vermessen und validieren sowie Prüfberichte erstellen.

Die Oberflächenanalyse (Abbildung 1) zeigt deutlich auf, wo reale Erhöhungen und Vertiefungen des Deckbodens gegenüber dem „Soll“-Zustand vorliegen. Im Falle einer Bodenunebenheit von nur einigen Millimetern könnten beispielsweise auf dem Sonnendeck eines Kreuzfahrtschiffes große und störende Wasserpfützen entstehen, welche die Passagiere auf dem Weg zu ihren Sonnenliegen zu durchqueren hätten. Aber auch unter Deck kann es diese Abweichungen geben. Einige Bereiche des Schiffs sind beispielsweise gefliest – hier könnten Bodenunebenheiten dazu führen, dass Bodenkacheln reißen.

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Abbildung 4: Das Scan-Ergebnis der Stabilisatorbox zeigt einen deutlichen Unterschied zwischen „Soll“- und „Ist“-Zustand. Bild © MEYER WERFT

Mahnt die auftraggebende Reederei diese Beispiele bei der Abnahme des Schiffes an, wären nachträgliche und teure Ausbesserungsarbeiten die Folge. Durch die Arbeit der Vermessungs-Ingenieure unter Verwendung von Geomagic Control X kann aufgrund der Oberflächenanalyse aber schon rechtzeitig in der Werft gegengesteuert werden: Die entsprechenden Bereiche werden nachbearbeitet und das Bodenniveau durch genau berechnete Ausgleichsmasse angeglichen – die Pfützenbildung unterbleibt und die Passagiere kommen trockenen Fußes zu ihren Sonnenliegen.

Bei der Deckenanalyse passiert ähnliches. Die Daten des CAD-Modells werden mit der tatsächlichen Begebenheit vor Ort verglichen und Abweichungen werden direkt ersichtlich (Abbildung 2). Durch die 3D-Analyse kann in den Bauvorgang eingegriffen werden, falls beispielsweise Korrekturen aufgrund von Rohrleitungen notwendig sein sollten, die in abweichender Höhe platziert wurden. Auch hier hilft die 3D-Analyse, spätere bauliche Komplikationen, etwa bei der Inneneinrichtung, zu vermeiden.

Geometriekontrollen – Abweichungen auf der Spur

Beim Schiffskörper selbst sind Geometriekontrollen unerlässlich. Am Beispiel einer Stabilisatorbox (Abbildung 3-5) zeigt sich sehr deutlich, dass die Kanten der Außenhautflächen nicht deckungsgleich sind. Das Scan-Ergebnis weicht sichtbar vom CAD-Modell ab. Im Sinne der Qualitätssicherung muss aufgrund des 3D-Abgleichs entschieden werden, ob eine Abweichung z. B. durch eine erwartete Deformation im Toleranzbereich liegt, oder nicht. Zimmermann betont: „Die 3D-Analysen geben uns ein klares Bild aller Abweichungen. Es kann vorkommen, dass eine Anpassung des betreffenden Bauteils notwendig ist, wenn seine Funktionsfähigkeit eingeschränkt ist, es infolge der Abweichungen allgemein fehleranfälliger wird oder den Sicherheitsbestimmungen nicht genügt.“

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Abbildung 5: Bei der Stabilisatorbox gibt es einen Versatz zum CAD-Modell - die Kanten der Außenhautflächen sind nicht deckungsgleich. Bild © MEYER WERFT

Fit Check: Passt das neue Rettungsboot in den Bootsdavid?

Es kommt durchaus vor, dass Auftraggeber während des Baus eines Kreuzfahrtschiffes Änderungen an Bereichen des Schiffes oder der Ausrüstung wünschen. Zimmermann berichtet: „In einem konkreten Fall wünschte sich ein Kunde eine höhere Personen-Kapazität der Rettungsboote, die ein Zulieferer in Italien fertigen sollte. Die Boote wurden also im Design deutlich überarbeitet und hatten nicht mehr die Maße, mit denen wir ursprünglich geplant hatten.“ Es musste von der Werft sichergestellt werden, dass die neu dimensionierten Rettungsboote auch in die vorgesehenen Bootsdavids passen und ordnungsgemäß abgefiert werden können. Ein einfacher Abgleich der Bemaßung (Länge, Breite, Höhe) war zu risikoreich. Da die einzige tragbare Alternative darin bestanden hätte, ein Rettungsboot zum Einpassen von Italien nach Papenburg zu transportieren, wurde es direkt beim Hersteller komplett von den Ingenieuren der MEYER WERFT eingescannt. Mit den Daten wurde dann von der Fachabteilung mithilfe von Geomagic Control X ein Fit Check mit positivem Ergebnis durchgeführt: Die neuen Rettungsboote passten perfekt und es waren keine weiteren schiffsbaulichen Veränderungen – etwa an den Davids – notwendig.

Fazit

Aus dem modernen Schiffbau ist die Verwendung von Laserscannern und leistungsfähiger Software bei der Vermessung und dem Qualitätsmanagement nicht mehr wegzudenken. Sie tragen entscheidend dazu bei, dass Bauteile beim Zusammenfügen optimal passen, notwendige Korrekturen rechtzeitig durchgeführt werden können und vor allem die Fertigstellung und Lieferung des Schiffes pünktlich erfolgen kann. Zimmermann meint: „Wir müssen uns jederzeit auf unsere Messergebnisse verlassen können. Es ist daher gut, mit 3D Systems einen zuverlässigen Partner an der Seite zu haben, der auf unsere Wünsche eingeht und die Inspektionssoftware ständig weiterentwickelt. Die MEYER WERFT ist so auch zukünftig in der Lage, nicht nur großartige Kreuzfahrtschiffe, sondern auch Fähren und Forschungsschiffe zu bauen.“

 

Autoren:

  • Ralf Brinkmann, Category Manager Software, EMEA, 3D Systems
  • Eric Wind, International Senior Consultant, 3D Systems

 

Informationen zur MEYER WERFT

Die MEYER WERFT GmbH & Co. KG wurde 1795 gegründet und befindet sich in siebter Generation im Familienbesitz. Die MEYER WERFT bietet ihren Kunden Innovationen und Technologien: Neben den Kreuzfahrtschiffen werden in Papenburg seit Jahrzehnten Auto- und Passagierfähren sowie RoRo-Schiffe erfolgreich gefertigt. Das Schwesterunternehmen der MEYER WERFT, die NEPTUN WERFT GmbH & Co. KG mit Sitz in Rostock ergänzt das Angebot mit dem Bau von schwimmenden Maschinenraummodulen und Flusskreuzfahrtschiffen. Schließlich rundet der Bau von Gastankern und Forschungsschiffen das Portfolio ab.

Die MEYER WERFT beschäftigt heute mehr als 3.450 Menschen und gehört zu den größten Arbeitgebern der Region. Das private Familienunternehmen bildet rund 250 Auszubildende in neun verschiedenen Berufen aus. Die Werft hat mit dem Bau von 13 großen Kreuzfahrtschiffen Beschäftigung bis in das Jahr 2023.

Über Geomagic Control X

Geomagic Control X ermöglicht dem Anwender die Messung und Validierung realer Objekte sowie die Erstellung von Prüfberichten mit Hilfe von leistungsstarken Software-Inspektionstools.

Die Lösung zeichnet sich dabei besonders dadurch aus, dass Sie sich für alle Bauteilgrößen eignet und dafür beliebige Scanner-Typen und -Technologien eingesetzt werden können. Ein Fokus der Version 2018 liegt auf Service- und Reparturanwendungen in der Luftfahrttechnik und der Schwerindustrie, wie z.B. für die Inspektion von Tragflächen, die Verschleißanalyse und die Oberflächenprüfung.

Das neue Service-Pack für Geomagic-Control X2018 verbessert den Inspektionsworkflow in den genannten Branchen und erlaubt eine umfassende Automatisierung der Prüfprozesse. Entwicklungsingenieure und Qualitätsprüfer können mit den neuen Funktionen des Service-Packs anspruchsvolle Inspektionsaufgaben an hoch präzisen Maschinenteilen, Guss- und Stanzteilen, Schweißkonstruktionen und anderen Objekten effizienter realisieren.